Haushaltsrede 2024 der Kreistagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Rhein-Kreis Neuss

Dirk Schimanski, Co-Fraktionsvorsitzender der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Rhein-Kreis Neuss
Dirk Schimanski, Co-Fraktionsvorsitzender der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Rhein-Kreis Neuss

Dirk Schimanski, Fraktionsvorsitzender

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Landrat,

sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

in der Vorbereitung einer Haushaltsrede blickt man immer auch mal zurück und schaut, was hat sich getan, wie sieht die Bilanz des vergangenen Jahres aus.

Und natürlich liegt der Gedanke nahe über den Krieg in der Ukraine, den Terror der Hamas und die daraus resultierende militärische Auseinandersetzung, über Energiedebatten, Wärmepumpen, Bauernproteste, Ampelkrisen und ähnliches zu sprechen, doch dies sind anderer Leute Spielfelder.

Wir hier sind Lokalpolitikerinnen und Lokalpolitiker und getreu dem Motto „Schuster bleib bei deinen Leisten“ sollten wir uns auf das konzentrieren, für das wir gewählt wurden. Und dies wurden wir nicht um Bundespolitik zu spielen, sondern um zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger hier im Rhein-Kreis Neuss zu handeln.

Wohl unbestritten ist, dass der unumgängliche Strukturwandel die im Süden des Kreises gelegenen Kommunen hart trifft. Die wirtschaftliche Transformation verlangt ihnen alles ab und die drängendste Sorge ist der Erhalt bzw. die Schaffung von alternativen Arbeitsplätzen. Was haben wir in dieser Hinsicht vorzuzeigen?

Der Landrat blickt da gerne in den Medien zufrieden auf die Entwicklungen auf dem Areal Böhler. Eine zugegebenermaßen positive Entwicklung, die den angrenzenden Kommunen gegönnt sei, die aber eben halt nicht zu denen gehören, die vom Strukturwandel wirklich hart betroffen sind.

Was haben wir denn für die erreicht? Eine Resolution im Sinne der hiesigen energieintensiven Unternehmen in Richtung Berlin, die beinahe aufgrund hier dann ausgetragenem bundespolitischen Gezänk fast nicht zu Stande gekommen wäre? Eine nette Geste der Solidarität, jedoch letztendlich mehr auch nicht.

Oder ein pompöser Antrag für ein Kernfusionsprojekt auf dem Kreisgebiet, einer Technologie bei der im Februar ein neuer Weltrekord aufgestellt wurde und man feierte, Energie in einer Menge analog von zwei Kilogramm Braunkohle erzeugt zu haben? Wohlgemerkt lediglich erzeugt, die Energiebilanz war insgesamt immer noch negativ. Bis zum Bau funktionierender Fusionskraftwerke dauert es laut Expertenschätzungen noch Jahrzehnte. Somit eine sicherlich schöne, jedoch träumerische Zukunftsmusik, und nicht einmal ansatzweise eine Lösung für die aktuellen Probleme; sowohl den Arbeitsmarkt betreffend, als auch energiepolitisch. Umso mehr begrüßen wir im letzteren Kontext, dass die von SPD und uns GRÜNEN in den Kreishaushalt 2023 eingebrachte Förderung von Balkonkraftwerken seit November beantragbar ist. Gerade im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld ist das eine Symbiose aus struktureller wirtschaftlicher Mikroförderung und aktivem Klimaschutz.

Wenn wir ehrlich mit uns sind haben wir insgesamt jedoch nicht wirklich viel Substanzielles auf diesen Gebieten vorzuweisen. In den Ausschüssen werden interessante Vorträge gehalten, und ja, wir haben viele kleine Maßnahmen beschlossen, um die Lebensqualität zu steigern, aber der große Wurf bleibt noch aus.

Ein Lichtblick sind hierbei die aktuellen Entwicklungen rund um die Kraftwerksgelände in Grevenbroich. Ein Hyperscale-Rechenzentrum am Kraftwerksstandort Neurath und die derzeitigen, faszinierenden Pläne für die Folgenutzung des Kraftwerkes Frimmersdorf machen Hoffnung als Kristallisationskeim für eine echte Transformation und digitale Revolution zu sorgen, um uns fit für die Zukunft zu machen. Allerdings gilt das Lob für diese sich abzeichnenden Erfolge wohl eher der Stadt Grevenbroich als dem Kreis.

Hier werden wir GRÜNE jedoch reagieren und auf unsere Anregung wird der Kreis eine gemeinsame Gesellschaft mit der Stadt Grevenbroich gründen, um diese Ansätze schnellstmöglich auf den Weg zu bringen.

Nach diesem Vorbild werden wir eine vergleichbare Gesellschaft für weitere Flächen mit den jeweiligen Anrainerkommunen gründen, um so die Arbeit des Kreises im Strukturwandel mit Leben zu füllen.

Mit Sorge erfüllt uns GRÜNE hingegen die Situation und die Debatte um das Rheinland-Klinikum. Mir scheint, hier wurde ein Ungetüm mit zwei Köpfen geschaffen, von denen sich einer augenscheinlich um die mit dem Namen verbundene Verantwortung und Bedeutung nicht schert und alleine lokalpatriotische Interessen verfolgt. Niemand kann auf Dauer ein Diener zweier Herren sein und daher sollte dieses Dilemma baldigst gelöst werden. Die reine Konzentration auf Ballungszentren unter Vernachlässigung der Fläche schwächt uns als Standort in der Strukturwandelfrage.

Als frustrierend empfand ich im vergangenen Jahr teilweise den politischen Umgang. Auf Nachfragen von uns wurde zuweilen recht harsch und empfindlich, ja geradezu fast beleidigt reagiert. Es entstand der Eindruck, die Verwaltung mache ihr Ding, und die Politik, so sie das falsche Parteibuch hat, stört dabei nur. So ist es auch dann wenig verwunderlich, dass Anträge zu mehr Beteiligungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger oder der Politik auf wenig Gegenliebe stießen.

Mit Kopfschütteln habe ich die Vorgänge um die Überarbeitung der Geschäftsordnung des Kreises begleitet. Mir ist unverständlich wie man sich in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels, an die überalterte Kreisordnung des Landes klammern kann. Und was dem Landrat und dem Kreisdirektor nicht gefällt, wird von der CDU und ihren Kooperationspartnern abgelehnt, Demokratie von Top to Bottom. Das ist Politik der „ewig Gestrigen“ und hat nichts mit Fortschritt, Zukunft oder Transformation zu tun, sondern bedeutet reaktionär gesellschaftlichem Wandel Steine in den Weg zu legen.

Insofern blickte ich zugegebenermaßen etwas missmutig in Richtung Haushaltsverhandlungen und fragte mich, ob überhaupt eine grüne Handschrift im Ergebnis erkennbar sein würde.

Und dann kam etwas ans Licht, was jede Demokratin und jeden Demokraten erschütterte. Rechtsextremisten, darunter Angehörige der AfD und der Werteunion, hatten in einem Geheimtreffen Pläne diskutiert, Menschen, die nicht deren völkischem Verständnis entsprechen, aus Deutschland abzuschieben, zu remigrieren.

Die Schockstarre über diesen unglaublichen und geschichtsvergessenen Vorgang hielt zum Glück nicht lange an und allenorts gingen Tausende auf die Straßen, um gegen dieses Gedankengut und die Partei, die sich diesem verschrieben hat, zu demonstrieren. Auch hier im Rhein-Kreis Neuss war dies der Fall und ich möchte meine Dankbarkeit dafür aussprechen, dass so viele sich hier offen, friedlich, kreativ und engagiert gemeinsam gegen diese furchtbare, menschenverachtende Haltung gestellt haben und weiter stellen.

Und vielleicht war das dann auch mit der Auslöser, dass alle meine Befürchtungen letztendlich unberechtigt waren und die Haushaltsverhandlungen sehr fair auf Augenhöhe und konstruktiv geführt wurden. Hierfür möchte ich allen Beteiligten auf politischer Seite und der Verwaltung, allen voran dem Kämmerer, Herrn Stiller, danken.

Auch wenn die Kreisumlage um 0,7 Umlagesatzpunkte gestiegen ist, erkennen wir den Willen zu Haushaltsdisziplin, die wir sehr begrüßen, denn die Kommunen brauchen in der aktuellen Situation jeden Euro.

In Puncto Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit kritisieren wir jedoch die rund 6 Millionen Euro, die für die AS Delrath eingestellt werden. Geld, von dem niemand weiß, ob und wann es abgerufen wird, zumal dieses Projekt nicht wirklich dem Ziel, den Modal Split zugunsten des Umweltverbundes – also von ÖPNV, Rad- und Fußverkehr – zu verändern entspricht.

Wir begrüßen hingegen die große Einmütigkeit, den Katastrophenschutz im Kreis nach vorne zu bringen. Gut angelegtes Geld, das dringend nötig ist, denn hier ist in der Vergangenheit zu viel liegen geblieben.

Als großen Wurf in doppelter Hinsicht betrachten wir die von uns GRÜNEN initiierte kommende Studie zur Optimierung der Flächenpotentiale der Kreisverwaltung um mindestens 20% bis 2028.

Der naheliegendste Grund liegt auf der Hand:

Zukünftige Renovierungs- und Baumaßnahmen können weitaus kleiner ausfallen, und es bestehen geringere Unterhaltskosten. Ergo: Einsparungen, die den Kommunen zu Gute kommen, plus den Benefit eines reduzierten CO2-Fußabdruckes.

Andere Behörden sind da schon weiter und so gibt es Schätzungen wonach landesweit bei einer Flächenreduzierung um durchschnittlich 10% das Einsparpotential bei 1,5 Milliarden Euro liegt.

Der andere große Pluspunkt liegt darin, dass solche Veränderungen nur Hand in Hand mit einer Modernisierung der Arbeitswelt, Digitalisierung, Homeoffice oder mobilem Arbeiten funktionieren. Dies hilft dabei, den Kreis zu einem attraktiveren Arbeitgeber zu machen und gleichzeitig Prozesse zu verschlanken.

Hier gilt es die Belegschaft im Rahmen der Konzeptionierung ab- und mit in das Boot zu holen.

Sehr geehrter Herr Landrat,

meine Damen und Herren,

bevor ich nun meinen Beitrag zur CO2-Verringerung leiste und zum Ende komme, möchte ich noch eine Bitte an Sie richten:

Lassen Sie uns die zuletzt erlebte konstruktive Zusammenarbeit im Schulterschluss für die Bürgerinnen und Bürger des Kreises fortsetzen und nicht mit Blick auf anstehende Wahlen vorschnell in politischen Theaterdonner verfallen. Dies stärkt nur die Politikverdrossenheit und antidemokratische Tendenzen unter uns.

In diesem Sinne freue ich mich Ihnen mitteilen zu können, dass die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, trotz der Ablehnung der AS Delrath, dem Haushalt, der eine klare grüne Handschrift trägt, zustimmen wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.