Haushaltsrede der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Rhein-Kreis Neuss

Swenja Krüppel, Kreistagsabgeordnete von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Sprecherin für Inklusion, Frauenpolitik, Gesundheit und Prävention
Swenja Krüppel, Kreistagsabgeordnete von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Sprecherin für Inklusion, Frauenpolitik, Gesundheit und Prävention
Swenja Krüppel, Stv. Fraktionsvorsitzende

Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrte Interessent:innen,

die konservative Mehrheit des letzten Kreistages um CDU und FDP hat seit der letzten Kommunalwahl keine Mehrheit mehr. Wir GRÜNEN erzielten – mit unserem sozial- ökologischen Wahlprogramm – ein Rekordergebnis und konnten uns fast verdoppeln. Der daraus hervorgehenden Verantwortung, die wir von den Bürger:innen übertragen bekommen haben, sind – und waren – wir uns, von Anfang an, bewusst. Mit viel Pragmatismus und Energie setzten wir uns daher auch bei den Haushaltsberatungen mit allen demokratischen Fraktionen zusammen und handelten gemeinsam mit unserem Kooperationspartner SPD ein Ergebnis aus, mit dem – unterm Strich – alle zufrieden sein können.

Dies ist nicht selbstverständlich, denn es fordert einen enormen Vertrauensvorschuss. Diesen einander zu geben, obwohl man sich interfraktionell – in der neuen Konstellation nach der Kommunalwahl – kaum kennt, erfordert Mut. Dabei machen es die äußeren Umstände der Corona-Pandemie nicht einfacher. Aber vielleicht waren es auch gerade die äußeren Umstände, die das Vertrauen ineinander gestärkt haben und zu dem angesprochenen Pragmatismus aller demokratischen Fraktionen und auch bei der Verwaltung führten.

Hinter uns allen liegt ein anstrengendes und kräftezehrendes Krisenjahr. Und auch dieses Jahr wird weiterhin, sowohl auf persönlicher, als auch auf kommunaler Ebene, ein Kraftakt werden. Die Corona-Pandemie hat unser Leben verändert und dabei auch die Rolle des Staates und unseres Kreises, der in dieser historischen Kraftanstrengung einen zentralen Beitrag zum Gesundheitsschutz der Bürger:innen geleistet und damit eine wichtige Rolle in der Eindämmung der Pandemie übernommen und so ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit seitens der Bevölkerung erfahren hat.

So möchten wir uns bei Herrn Graul und der Verwaltung bedanken, die den Haushalt aufgestellt haben und uns bei unseren Beratungen für Fragen, Anregungen und Kritik auch abseits der Ausschüsse und des Kreistages zur Verfügung standen. Vielen Dank.

Ebenso möchten wir uns an dieser Stelle auch insbesondere bei den Beschäftigten des Gesundheitsamtes bedanken. Danke für die geleistete Mehrarbeit und danke, dass Sie die ganzen Umstellungen stemmen und auf die sich wechselnden Anforderungen so schnell reagieren. Unser größter Dank und Respekt geht aber auch an die, die sich und ihre

Familien während der Corona-Pandemie für die Gesellschaft täglich einem hohen Risiko aussetzen und unsere Gesellschaft durch ihre Arbeit und ihr herausragendes Engagement durch die Pandemie führen. Wir können Ihnen nicht genug danken!

Auch wenn wir wissen, dass die Corona-Pandemie noch nicht vorbei ist, wünschen wir es uns doch sehnlichst. Wir alle verfolgen die Entwicklung der Corona-Pandemie, mit samt ihren hoffnungsvollen Höhen und ihren ernüchternden Tiefen. Aber erst jetzt – so nach und nach – werden sich die sozialen und wirtschaftlichen Folgen abzeichnen: Die Schäden, welche die Corona-Pandemie verursacht hat und noch verursachen wird.

Die Corona-Pandemie zeigt auf, wie agil scheinbar festgefahrene Strukturen sein können, wie schnell und effektiv plötzlich von scheinbar festgelegten Sachverhalten abgewichen werden kann. Durch die Corona-Pandemie wurde unser aller Leben in kürzester Zeit umgekrempelt, wir lernten innerhalb kürzester Zeit neue Verhaltensweisen. Die Wissenschaft war lange nicht mehr – oder gar noch nie -, quer durch die Gesellschaft, so beliebt wir jetzt. Wenn also der Corona-Pandemie, bei all dem Leid, das mit ihr einhergeht, etwas Positives abgerungen werden möchte, so ist es der gesellschaftliche Zusammenhalt, das kritische Vertrauen in die Wissenschaft und Exempel, dass scheinbar festgefahrene Strukturen veränderbar sind, wenn nur der politische Wille gegeben ist.

Aber uns GRÜNEN ist schon lange bewusst, dass die Corona-Pandemie nicht unsere einzige und auch nicht unsere größte Krise ist, in der wir uns befinden, auf die wir ebenso entschieden, umfangreich und schleunigst reagieren müssen: Die sozial-ökologische Umweltkrise.

Spüren wir jetzt schon die konkreten Folgen der Corona-Pandemie, so sind die Folgen der sozial-ökologischen Umweltkrise für keine:n von uns, auch nur im Ansatz, greifbar. Während bei der Corona-Pandemie das exponentielle Wachstum die Gefahr darstellt, so liegt die Gefahr der sozial-ökologischen Umweltkrise insbesondere in der unwiderruflichen Schädigung unseres Weltklimas, dem Erreichen des sogenannten „Kipppunktes“. Wenn das Klima, als metastabiles System, diesen Kipppunkt erreicht, dann wird es auf der Erde unaufhaltsam immer wärmer, auch wenn wir aufhören sollten, Treibhausgase zu emittieren. Und unser Klima verändert sich jetzt schon wesentlich schneller als erwartet! Daher müssen wir alles tun, um zu verhindern, diesen Kipppunkt zu erreichen. Wir müssen alles tun, um die Erderwärmung zu stoppen und unsere Umwelt zu schonen.

Dies können wir erreichen, wenn wir aus der Corona-Pandemie lernen und uns gesamtgesellschaftlich umorientieren. Wenn wir von dem Gewohnten abweichen und unser Handeln in jedem Lebensbereich kritisch reflektieren. Und auch der Umgang mit den, noch nicht in Gänze absehbaren, Folgen der Corona-Pandemie soll ein Beispiel sein. Mit einer starken Umweltpolitik ist es nämlich nicht getan. Politisch muss auf allen Ebenen gehandelt werden, im Umwelt-, Energie- und Mobilitätsbereich ebenso wie auch auf gesellschaftlicher Ebene. Die Gesellschaft muss mitgenommen werden und in der Krise gestärkt werden. Dafür braucht es eine Sicherheit spendende Sozialpolitik, Investitionen in moderne und umfangreiche lebenslange Bildung, wie auch sinnliche und kulturelle Angebote, die die gesellschaftliche und demokratische Resilienz (Widerstandskraft, in sich wandelnden Lebensbedingungen) stärken.

Unser unmittelbares GRÜNES Ziel ist daher, soweit auf den Kreishaushalt einzuwirken, um den Rhein-Kreis Neuss in der Corona-Pandemie und der sozial-ökologischen Umweltkrise zu stärken und ungenügende Ziele zu schärfen. Dies begreifen wir als den Aufbruch für eine krisenfeste Transformation unseres Kreises, insbesondere in Hinblick auf die unmittelbar kommenden Folgen der Corona-Pandemie und der weltweit größten Herausforderung: Den menschengemachten Klimawandel. Dafür ist uns GRÜNEN wichtig, dass der Haushalt eine klare GRÜNE Handschrift trägt, um auf die Krisen unserer Zeit – im Rahmen der Möglichkeiten des Rhein-Kreises Neuss – reagieren zu können. Folgend wird nun unsere GRÜNE Handschrift, die sich quer durch den Haushalt zieht und im heutigen Kreistag eingebracht wird, skizziert:

1 Krisensichere Finanzierung

Der Kreishaushalt ist ein klassischer Umlagehaushalt. Das Geld, mit dem wir wirtschaften, dürfen und müssen wir uns von unseren kreisangehörigen Städten und der Gemeinde wie eine Art Mitgliedsbeitrag holen. Wir haben das Privileg, selbst über die Höhe entscheiden zu dürfen. Aus diesem Privileg wächst auch die Verantwortung, hiermit maßvoll umzugehen.

Deshalb ist uns GRÜNEN ein kommunalfreundlicher Kurs sehr wichtig. Denn im Vergleich zur Situation der Städte und der Gemeinde im Kreis stehen die Kreisfinanzen noch recht gut dar. In den vergangenen Jahren wurden stets Überschüsse erzielt, Ausgleichsrücklage ist noch in zweistelliger Millionenhöhe vorhanden.

Wir finden, dass diese Überschüsse nicht dauerhaft im Kreishaushalt verbleiben sollten. Das Geld sollte früher oder später wieder den Kommunen zu Gute kommen; sie müssen handlungsfähig sein, um auf die Krisen unserer Zeit reagieren zu können. Deshalb hatten wir auch ursprünglich beantragt, über eine globale Minderausgabe von 5 Mio. Euro die Kreisumlage zu senken.

Im Zuge eines interfraktionellen Kompromisses haben wir uns darauf verständigt, die Kreisumlage auch im nächsten Jahr stabil zu halten und bei den momentanen 34,56% zu deckeln. Denn machen wir uns nichts vor: Es ist aufgrund der GFG-Systematik (Gemeindefinanzierungsgesetz) damit zu rechnen, dass die Corona-Pandemie nächstes Haushaltsjahr voll auf die Umlagegrundlagen des Kreises einschlägt. Deshalb ist es für uns ein starkes Signal der Solidarität, jetzt schon zu signalisieren, dass der Kreis eine steigende Kreisumlage ausschließt. Auch wenn diese Tatsache in der letzten Konsequenz wohl noch nicht bei allen kommunalen Entscheidungsträger:innen angekommen sein mag. So ist es in diesem Zusammenhang auch nur konsequent, den Jahresüberschuss 2019 der Ausgleichsrücklage und nicht, wie mit dem Überschuss 2018 geschehen, der allgemeinen Rücklage zuzuführen.

Zu einer kommunalfreundlichen Haushaltspolitik gehört auch, die Möglichkeiten zu nutzen, die der Gesetzgeber uns durch die Corona-Isolierungen einräumt. Deshalb begrüßen wir es, dass unser Antrag auf weitere Corona-Isolierungen zumindest teilweise beschlossen wird. Dabei ist uns wichtig zu betonen, dass es sich bei der Zusage der stabilen Kreisumlage nicht um einen Doppelhaushalt durch die Hintertür handelt. Denn aus unserer Sicht schränken Doppelhaushalte die Möglichkeiten für die Politik unnötig stark ein, mitgestalten zu können. Dementsprechend lehnen wir Doppelhaushalte auch ab. Deshalb begrüßen wir die Signale der Kreisverwaltung, dem Kreistag bis auf weiteres keine Doppelhaushalte vorzuschlagen.

Ob sich auch im Jahr 2021 trotz geplantem Defizit am Ende ein ungeplanter Jahresüberschuss einstellen wird, bleibt abzuwarten. Überraschen würde es uns nicht. Umso wichtiger ist für uns, dass wir schon jetzt den Kommunen signalisieren, etwaige Haushaltsverbesserungen an sie weiterzugeben. Dazu dient unser gemeinsam mit der SPD gestellter Begleitantrag zum Haushalt. Denn bei einigen Positionen werden Mittel eingestellt, die zumindest in der Höhe regelmäßig nicht abgerufen werden.

Hier nur ein Beispiel: Für die Prämien im Vorschlagswesen (Produkt Controlling und Organisation) werden Jahr für Jahr 10.000 € eingestellt. Abgerufen wurde in den Jahren 2017-2019 nach den uns vorliegenden Ergebnissen jedoch kein einziger Euro. Da ein Vorschlagswesen grundsätzlich eine gute Sache ist, würde uns hier interessieren, welche konkreten Schritte die Verwaltung unternimmt, um dieses Instrument in der Belegschaft stärker zu bewerben.

2 Umfassender Umweltschutz

Gegen die wohl größte Herausforderung dieser Zeit, den Klimawandel, hilft weder eine Impfung noch reine Symbolpolitik. Gerade hier im Revier müssen wir klotzen und nicht kleckern, damit wir viel mehr tun, um die Klimaneutralität des Rhein-Kreises bis 2030 auch tatsächlich erreichen. Darum wollen wir den Blick bewusst auf die klimafreundliche Modernisierung und energetische Sanierung der Kreisgebäude richten. Der Gebäudesektor hat einen hohen Anteil am CO2-Ausstoß. Wir freuen uns, dass nun alle demokratischen Fraktionen hier unserem Vorschlag gefolgt sind und eine Million zusätzlich für den Klimaschutz im Gebäudesektor investieren wollen. Aber selbst diese eine Million an jährlichen Investitionsmitteln können nur ein Anfang sein. Hoffentlich sehen Sie das dann auch in Zukunft so. Der Diskussion über die Verwendung der Million im Umweltausschuss sehen wir insofern gespannt entgegen.

Eine besondere Bedeutung – auch für den Klimaschutz – hat die Schaffung von mehr natürlichen Waldflächen. Erst vor wenigen Tagen musste die Bundesregierung eingestehen, dass große Teile heimischer Wälder unter dem Klimawandel und Umwelteinflüssen leiden. Gerade in unserem Kreis, der zu den waldärmsten überhaupt zählt und durch die Kohleverstromung hohen Anteil am Klimawandel hat, müssen wir deutlich mehr Anstrengungen unternehmen, um mehr Waldflächen zu ermöglichen und kranke oder gefällte Bäume mindestens 1:1 ersetzen. Mit dem Ankauf oder der Pacht von Flächen schon bevor diese gewerblich oder landwirtschaftlich genutzt werden, betreiben wir aktiven Klimaschutz, schonen die natürlichen Wasserressourcen, bieten anderen Pflanzen und Tieren eine Heimat und schaffen ortsnahe Erholungsräume für uns Menschen. Nachdem unsere Forderung nach mehr Mitteln für die Waldmehrung und den Ersatz von kranken oder gefällten Bäumen im Umweltausschuss von den Vertreter:innen der CDU noch kritisch gesehen wurde und das bislang von der Verwaltung erreichte gelobt wurde, sind ja nun auch bei diesem Thema alle auf unsere Linie eingeschwenkt. Auch wenn wir, im Rahmen eines Kompromisses, von den von uns geforderten 350.000€ auf 200.000€ gegangen sind, haben wir hiermit die Chance einer deutlichen Verbesserung ermöglicht. In Zukunft, insbesondere im Umweltausschuss, werden die Fraktionen von CDU, FDP, UWG-Z die Chance haben, ihre neugefestigte Position unter Beweis zu stellen und glaubwürdige Taten folgen zu lassen.

Auch mit unserem Antrag zur „Regionalen Versorgung“, mit dem wir eine regionalere und ökologischer ausgerichtete Versorgung stärken wollen, konnten wir unsere GRÜNE Handschrift weiter fortsetzen. Mit den Mitteln in Höhe von 50.000 € für eine Machbarkeitsstudie und für die beginnende Umsetzung in kreiseigenen Kantinen und Mensen wird dem insbesondere auch im Rhein-Kreis Neuss stattfindenden Strukturwandel ein neuer und nachhaltiger Impuls gegeben. Darauf weisen auch Vertreter:innen der hiesigen Landwirtschaft, der Ernährungswirtschaft ebenso wie der Ernährungsrat im Rhein-Kreis Neuss seit geraumer Zeit zu Recht hin. Dort, wo es wie im BBZ Grevenbroich bereits ein Kantinenangebot gibt, können Erfahrungswerte mit einfließen. An anderen Orten – etwa den BBZ in Dormagen und Neuss – gilt es, die Nachfragesituation zu untersuchen. Im Idealfall führt die regionale Wertschöpfung tatsächlich zu neuen Perspektiven für heimische Existenzen und Strukturwandelmittel können im Sinne einer klimafreundlichen Nahversorgung eingesetzt werden. Schließlich würde ein wertvoller Beitrag zur gesunden Ernährung von Schüler:innen und Mitarbeiter:innen im Rhein-Kreis Neuss geleistet.

3 Faire Mobilitätspolitik

Mobilität und Erreichbarkeit sind zentrale Voraussetzungen für Teilhabe, wirtschaftlichen Austausch, Beschäftigung und Wohlstand in unserer Gesellschaft. Gleichzeitig ist das derzeitige Verkehrssystem jedoch durch starke Umweltbelastungen gekennzeichnet.

Der Verkehr hat sich wie in Deutschland, so auch im RKN, in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich erhöht: Seit 1960 hat sich der Güterverkehr mehr als verdreifacht, der Personenverkehr sogar vervierfacht. Eine zeitgemäße und klimaschonende Verkehrswende tut not. E-Bikes und Fahrräder sind auf dem Vormarsch, städteübergreifende Radwegenetze sind es jedoch nicht oder sind in einem schlechten Zustand bzw. Ausbau. Auch ist die Ampelschaltung und Verkehrsbeschilderung regelmäßig auf eine Privilegierung der Kfz ausgelegt. Statt Geld, Zeit und Energie für den verkehrstechnischen Dinosaurier L361n zu vergeuden, sollte man dieses Projekt endlich sterben lassen und den Blick auf die Zukunft der Verkehrsplanung richten. Daher haben wir GRÜNEN uns dafür eingesetzt, dass im Haushalt die Mittel eingestellt werden, um das Radwegeverkehrskonzept aus dem Jahre 2013 endlich fortzuschreiben und damit eine Grundlage für zukunftsfähige Mobilität geschaffen. Genauso wichtig sind die Mittel für eine Optimierung der Lichtsignalanlagen, um Radfahrer:innen endlich freie Fahrt zu ermöglichen und die Teilnahme von Fußgänger:innen am Straßenverkehr attraktiver zu gestalten. Durch eine zeitgemäße Pflege von Bäumen und Grünstreifen an Kreisstraßen wollen wir einen Beitrag leisten, damit unsere Bäume dem Klimawandel besser begegnen können.

4 Solidarisch Verantwortung übernehmen

Wir GRÜNE haben mit unseren Anträgen auch die weiteren sozialen Fragen und Herausforderungen in den Blick genommen. Dabei ist uns besonders wichtig, die Unterstützung für Menschen, die finanziell nicht so gut gestellt sind, auszubauen.

Besonders erleichtert sind wir, dass wir uns mit unserem „Verhütungsmittelantrag“ durchsetzen konnten. Künftig können Frauen, die sich in besonderen sozialen Nöten befinden, in ihrer Familienplanung unterstützt werden, in dem sie Zuschüsse für teure Verhütungsmittel gewährt bekommen. Wir freuen uns sehr, dass CDU, FDP und UWG-Z letztlich nach mehreren Gesprächen unserem Vorschlag gefolgt sind und verstanden haben, dass die finanzielle Unterstützung eines Verhütungsmittels als Prävention vor ungewollten Schwangerschaften doch besser ist als ein Schwangerschaftsabbruch.

Im Vorfeld der Haushaltsberatungen haben wir bereits den Rhein-Kreis-Neuss-Pass eingebracht, der es einkommensschwachen Familien ermöglichen soll, barriere- und diskriminierungsarm Vergünstigungen in Anspruch nehmen zu können. Ein solcher Pass, wie er bereits in verschiedenen anderen Städten eingesetzt wird, ist auch mit verschiedenen anderen Karten kombinierbar. Die Gespräche mit CDU, FDP, UWG-Z, zeigten jedoch, dass für einen solchen Pass noch das Verständnis fehlt. Wir erhoffen uns nun, dass wir uns gegenseitig gut zuhören und mit den zusätzlich eingestellten Budget von 20.000 € eine Lösung finden werden, mit der alle und insbesondere die Bürger:innen des Rhein-Kreises zufrieden sein werden. Wichtig ist uns, dass es kein „Karten- und Angebotschaos“ geben wird. Wie der Pass oder die Karte am Ende heißen wird, ist uns egal.

Grade im sozialen Bereich sind es oft kleine Summen, die eine große Wirkung haben können. So werden seit Jahren die Hospizbewegungen im Kreisgebiet mit insgesamt 91.000 € gefördert. Diese Vereine, die auf Spenden und Zuwendungen angewiesen sind, werden überwiegend von Ehrenamtler:innen getragen. Mit der von uns initiierten Erhöhung um 1000 € für jedes der sieben Hospize, möchten wir der Hospizbewegung unsere Wertschätzung spiegeln. Wenngleich eine solch wichtiges und anspruchsvolles Engagement nicht in Geld ausgedrückt werden kann.

Uns GRÜNEN ist es wichtig, dass wir hier im Kreis – im Rahmen unserer Möglichkeiten – Schadensbegrenzung betreiben, bei dem was auf Landes- und Bundespolitischer fehlgesteuert wird. Dies betrifft insbesondere in der Gesundheitsversorgung die Gewinnung und Bindung von Fachkräften. Unser Vorstoß war es mit dem Antrag „Bunte Pflege“ Migrant:innen, bei Interesse, auf diesen Beruf vorzubereiten und diese insbesondere hinsichtlich der Kultursensiblen Pflege zu sensibilisieren. Wir setzen uns dafür ein, die im Haushalt zur Verfügung stehenden Gelder für ein solches Projekt zur Verfügung zu stellen und darüber hinaus die zusätzlich eingestellten 100.000 € nutzen den Rhein-Kreis Neuss für Pflegefachkräfte so attraktiv wie möglich zu machen. Aus einem GRÜNEN Selbstverständnis heraus, werden wir darauf achten, dass wir nicht auf Kosten anderer Pflegekräfte abwerben.

Darüber hinaus möchten wir an dieser Stelle nochmal betonen, dass die kommunale Trägerschaft eines Krankenhauses nur dann Berechtigung hat, wenn sie eine patientenorientierte Versorgung ermöglicht. Die kurzfristige und offenbar dauerhafte Schließung einer Geburtshilfe ohne Einbeziehung aller erforderlicher Gremien und damit offenbar auch ohne Planung, wie die zusätzlichen Geburten in den übrigen Häusern ordnungsgemäß aufgefangen werden können, steht in klarem Widerspruch dazu. Ein solcher Vorgang darf sich nicht wiederholen!

5 Chance nutzen: Unser Strukturwandel

Der Strukturwandel im Rheinischen Revier bietet die einmalige Chance, einen Wandel hin zu einem nachhaltigen und zukunftssicheren Wirtschaften zu gestalten. Gerade in Zeiten des Klimawandels muss der Schutz lebenswichtiger Ressourcen zentrale Bedeutung erlangen.

Deshalb favorisieren wir GRÜNE vor allem die Errichtung eines Baustoff-Recycling- Zentrums in einem umfassenden Sinne mit integrierter wissenschaftlicher Begleitung, am besten am schnell verfügbaren Standort Frimmersdorf. Auch die Erprobung alternativer Antriebe für Schienenfahrzeuge, etwa auf den dann ehemaligen Werkbahnstrecken, hat für uns Priorität. Zielführend ist es unseres Erachtens dabei, eine öffentliche Hochschule bzw. zumindest eine Fakultät als „Zweigstelle“ im Rhein-Kreis Neuss anzusiedeln.

Die im Rahmen des Strukturwandels vorgeschlagenen Projekte zeigen, dass es mit Blick auf die großen Herausforderungen nicht reicht, allgemeine Ziele festzulegen. Die Umsetzung aller Fördermaßnahmen muss konsequent anhand prüfbarer nachhaltiger Kriterien erfolgen. Die Entwicklung der Wirtschaft im Rhein-Kreis Neuss wie auch im Rheinischen Revier muss sich an festgelegten Leitlinien orientieren. Deshalb ist die Strategie, einen „Gemischtwarenladen“ an Maßnahmen anzubieten, nicht zielfördernd. So ist der Projektvorschlag, eine „Huminstoffproduktion aus biogenen Reststoffen“ zu fördern, rückwärtsorientiert und der Vorschlag „Launch-Center für die Lebensmittel- wirtschaft“ in Neuss eher Teil der allgemeinen, ständigen Wirtschaftsförderung, denn eine nachhaltige Fördermaßnahme im Rahmen des Strukturwandels.

Wir Grüne fordern auch eine transparente Entscheidungsstruktur über die Festlegung von Förderzielen und der Auswahl von Förderprojekten. Wir wissen, dass die Projektauswahl an anderer Stelle erfolgt. Der Ort jedoch, an dem eine Priorisierung der mit dem dritten Stern ausgestatteten Projekte im Rhein-Kreis Neuss zu erfolgen hat, ist – federführend – der Ausschuss für Strukturwandel zusammen mit dem Mobilitätsausschuss und dem für Klimaschutz, Umwelt und Planung.

Mit dem von uns initiierten Antrag, dass die politischen Gremien über die Verwendung der Strukturwandelmittel entscheiden sollen, haben wir der Politik so ein Instrument gegeben, diese Entwicklungen zu begleiten und auf diese einzuwirken und geben mit der Bagatellgrenze von 50.000 € der Verwaltung gleichzeitig die notwendige Beinfreiheit.

6 Kultur

Wie einleitend bereits beschrieben, zeigt sich in der Corona-Pandemie deutlich, dass Kultur gesellschaftlich systemrelevant ist. Durch sie werden wir angeregt, uns und die Gesellschaft zu reflektieren, zu genießen und uns mit unseren Mitmenschen auszutauschen. Unserer vielfältigen und attraktiven Kunst- und Kulturlandschaft im Kreis kommt dabei eine besondere Bedeutung für unsere Bürger:innen zu, denn Kunst und Kultur sind zentrale Standortfaktoren, die die Lebens- und Aufenthaltsqualität in der Region fördern.

Nachdem im Zuge des Shutdowns Kunst- und Kultureinrichtungen – vorübergehend – schließen und die Menschen im Kreis lange auf Kulturerleben, z.B. in den Kreismuseen, verzichten mussten, sind das Verlangen nach und der Bedarf an reizvollen Angeboten im Kulturbereich groß. Der folgerichtige Schritt für die Kultur im Kreis ist jetzt, mit der Kostenfreiheit für ständige Sammlungen der Kreismuseen für das Haushaltsjahr 2021, ein solches Angebot zu schaffen, um den Menschen eine angenehme Kunst- und Kulturerfahrung zu bieten.

Zudem verlieren kostenfreie Museumsbesuche den schleppenden Anspruch, den vollen Tagespreis abrufen zu müssen. So können Besuche dann unterbrochen werden, wenn Konzentration und Interesse beginnen, nachzulassen – und kostenfrei zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden. Kürzere, aber regelmäßig stattfindende, Kulturbesuche können einfacher in den Tagesablauf integriert werden und somit eine stressneutralisierende Ausgleichsfunktion im Alltag einnehmen. Die Kostenfreiheit ist nicht weniger als der Grundstein zur Entwicklung unserer Kreismuseen zu einem öffentlichen Raum, der als Treffpunkt für Verabredungen mit Freund:innen geeignet ist und Kulturerleben und sozialen Austausch miteinander verbindet.

Trotz der zahlreichen Vorteile, die die Umwandlung der Kreismuseen in einen freizugänglichen öffentlichen Raum haben und der gleichzeitig überschaubaren monetären Einbuße, konnten wir zwar die Mittel einstellen, verzichteten aber – des Friedens willen – auf die sofortige Kostenfreiheit der ständigen Sammlungen unserer Kreismuseen. Wir hoffen und wünschen, dass die von der UWG initiierte Sonderrunde durch den Kulturausschuss nicht zum Mittel gemacht wird, in Gänze auf die Kostenfreiheit zu verzichten und auch dort das konstruktive und vertrauensvolle Miteinander gewahrt bleiben wird.

FAZIT: Den Rhein-Kreis Neuss weiter konstruktiv nach vorne bringen

Mit den Haushaltsberatungen ist es uns gelungen, ein Exempel zu setzen, wie Politik auch funktionieren kann, wenn man denn will. Uns ist es gelungen, durch ein sachorientiertes und pragmatisches Vorgehen, einen Haushalt zur Verabschiedung vorzubereiten, mit dem alle demokratischen Parteien zufrieden sind. Wir GRÜNEN konnten uns mit folgenden Anträgen durchsetzen:

  • 50.000 € für regionale Lebensmittel in kreiseigenen Mensen und Kantinen
  • 40.000 € Sonderfonds für Verhütungsmittel für Menschen in besonderen sozialen Notlagen
  • 1,2 Mio. € für ein kreisweites Konzept und Maßnahmen zum Klimaschutz
  • 200.000 € zusätzlich zur Erhöhung des Wald- und Biotopanteils im RKN
  • 70.000 € zusätzlich zur Pflege von Grünflächen und Bäumen
  • 35.000 € zusätzlich zur Optimierung von Lichtsignalanlagen für den Rad- und Fußverkehr
  • Kostenfreier Eintritt in ständige Sammlungen der Kreismuseen (-12.000 € für Mindererträge etatisiert)
  • Stärkung der Kultursensiblen Pflege (Bunte Pflege)
  • 7.000 € Erhöhung für Hospizarbeit
  • Sonderpädagogische Schulungen der Busbegleitungen für Schüler:innen der Förderschulen
  • 100.000 € für die Erneuerung von Fahrradstellplätzen an Berufsbildungszentren des RKN
  • Taschengelderhöhung der FSJ/BDJ auf 426 €
  • Festsetzung der Kreisumlage auf 34,56%, sowie Ermittlung weiterer Entlastungspotentiale bei der Kreisumlage für die Kommunen
  • Fachberatung für Einsatz der Strukturwandelmittel im Ausschuss

So gut wie alle unsere Änderungsanträge und Gestaltungsvisionen konnten wir in den Haushalt einbringen und somit die Transformation des Rhein-Kreises hinzu einen sozial- ökologischen Kreis, voranbringen. Dadurch, dass wir konstruktiv und kooperativ das Gespräch zu den anderen Fraktionen gesucht haben und uns gegenseitig das Vertrauen geschenkt haben und von allen Beteiligten weitestgehend auf polemischen und stumpfsinnigen Populismus verzichtet wurde, haben wir trotz unterschiedlicher Einstellungen erfolgreich um einige Kompromisse gerungen und sogar entdeckt, dass wir in manchen Bereichen einen Konsens haben und eigentlich im Grunde dasselbe Ziel verfolgen. Genau das ist der Weg, progressive Politik für die Bürger:innen zu machen und den Rechtspopulist:innen den Wind aus den Segeln zu nehmen. Wir GRÜNEN sind uns unserer Verantwortung bewusst und zielen weiterhin auf einen kooperativen und konstruktiven Umgang miteinander ab. Wir hoffen nun, dass wir das Vertrauen, welches wir gemeinsam mit unserem Kooperationspartner SPD den Fraktionen der CDU, FDP und UWG-Z sowie der Verwaltung geschenkt haben, auch in gleicherweise entgegengebracht bekommen, auch wenn der Druck, die Stimmen für die Verabschiedung des Haushaltes zu bekommen, nicht mehr da ist.

Wir sind überzeugt, dass eine vertrauensvolle, wertschätzende und sachorientierte Politik der richtige Weg für uns im Rhein-Kreis Neuss ist, daher stimmen wir dem Haushalt, der eine klare GRÜNE Handschrift trägt, in der nun vorliegenden Version so zu.

Vielen Dank!