Beschluss der Kreismitgliederversammlung zum Strukturwandel im Rheinischen Revier

BESCHLUSS

der Kreismitgliederversammlung

12.12.2018 in Neuss

Die Kreismitgliederversammlung hat am 12.12.18 beschlossen:

Klimaschutz endlich ernst nehmen – Strukturwandel jetzt gestalten!

Die große Hitze und Dürre des Sommershat den Klimawandel nicht  eingeläutet,sondern ihn erneut  spürbar gemacht. Esist höchste Zeit zu handeln. Auch bei uns, wo seit Jahrzehnten Braunkohle imgroßen Maßstab abgebaut und verstromt wird. Klimaschutz,  der überfällige Umbau der Wirtschaft, dasdazu notwendige Verwaltungshandeln  undpersönliche Konsequenzen  dürfen nichtlänger delegiert werden – nicht in die Kohle-Kommission in Berlin, auch nichtnur auf „höhere“  politische Ebenen undauf Klimakonferenzen. Vielmehr gilt es gerade hier, in einem bedeutendenKohlerevier, den Klimaschutz endlich ernst zu nehmen und den überfälligenStrukturwandel jetzt beherzt anzugehen und zu gestalten. Dabei stehen wir nichtnur in der Verantwortung für unsere Kinder und Kindeskinder, sondern auch imWort bei jenen, die heute noch im Revier beschäftigt sind und denen von unserenpolitischen Mitbewerbern immer wieder formelhaft zugerufen wird: Wir braucheeuch für eine sichere Stromversorgung.                                                                                                      

Ein weiteres Zuwarten und Lamentieren – wie wir es leider schon viel zu lange beiden für die Region Verantwortlichen beobachten können – verkennt nicht nur dieökologische Dramatik des Klimawandels, sondern beschwört große soziale undwirtschaftliche Verwerfungen eines Strukturbruchs herauf. Bereits jetzt zeigengesundheitliche Auswirkungen von Hitzeperioden, niedrigste Pegelstände desRhein und seiner Zuflüsse sowie heftige lokale Starkregenereignisse: wir sinddie erste Generation, die die Auswirkungen des Klimawandels deutlich spürt.Gleichzeitig sind wir aber auch die letzte Generation, die noch dramatischereAuswirkungen eingrenzen kann. Dafür gilt es nachdrücklich Verantwortung zuergreifen.

Wir Grünen wollen daher den Klimaschutz im Rhein-Kreis Neuss noch entschiedener und engagierter als bisher vorantreiben und den Strukturwandel aktiv forcieren und begleiten:

  1. Endgültiger Kohleausstieg bis 2030

Nach wie vor hat die Verbrennung von fossilen Brennstoffen zur Strom- und Wärmegewinnung sowie zum Antrieb von Fahrzeugen einen nachweislich sehr hohen Anteil am Klimawandel. Deswegen müssen hier – gerade bei uns im Braunkohle-Revier – rasch und durchgreifend Maßnahmen des Klimaschutzes und der Mobilitätswende ergriffen werden. Daneben sind auch größere Anstrengungen in der Bauwirtschaft und bei der Lebensmittelproduktion vonnöten.

Wir Grünen im Rhein-Kreis Neuss sprechen uns daher dafür aus, bis zum Jahre 2020 die schmutzigsten Kohlekraftwerke unverzüglich und endgültig vom Netz zu nehmen und bis 2030 deutschlandweit aus der Kohleverstromung auszusteigen. Wir fordern die Repräsentanten des Kreises in Politik und Verwaltung auf, sich in Parlamenten und Gremien wie aktuell insbesondere auch gegenüber der Regierungskommission „Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung“ entsprechend und wahrnehmbar einzusetzen.

  • Strukturwandel aktiv vorantreiben

Der mit dem nahen Ende der Kohleverstromung verbundene Strukturwandel kann nur im Zusammenspiel aller relevanten Akteure und den unmittelbar Betroffenen gelingen. Als Grüne wissen wir sehr wohl, dass die Beschäftigten im Revier in den letzten Jahrzehnten großen Anteil an der positiven wirtschaftlichen Entwicklung hatten. Darum gilt es nicht zuletzt in sozialer Hinsicht Verantwortung zu übernehmen und zeitnah wie perspektivisch zukunftsfeste Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu schaffen.

Wir bekennen uns als Grüne zum Erhalt unserer industriellen Leistungsträger – insbesondere auch der Chemie- und Aluminium-Industrie. Gleichzeitig wissen wir aber auch um die besonderen Stärken von Handwerk und Mittelstand in unserer Region, insbesondere bei der Schaffung von Ausbildungsplätzen. Dieses Zusammenspiel wollen wir nachhaltig stärken und ausbauen, indem wir soziale und ökologische Aspekte stärker für den wirtschaftlichen Erfolg unseres Kreises einbringen. Denn nicht nur durch den Klimawandel und die Ressourcenverknappung wissen wir, dass sich mit grünen Ideen sehr wohl schwarze Zahlen schreiben lassen.

Bei der Stärkung der heimischen Wirtschaft kommt der zukünftigen Energieversorgung eine Schlüsselrolle zu. Sie muss zugleich verlässlich und vertretbar sein. Deswegen fordern wir Grünen verstärkte Anstrengungen von Politik, Verwaltung und Wirtschaft im Rhein-Kreis Neuss beim Energiesparen und beim Umbau zur dezentralen Versorgung sowie beim Ausbau der Erneuerbaren Energien im Kreisgebiet.

Schon jetzt müssen die Herausforderungen der Digitalisierung mit denen beim Strukturwandel verknüpft und die Synergien konsequent genutzt werden. Mit dem raschen Ausbau mit schnellem Breitband  und der flächendeckenden Versorgung mit dem Mobilfunkstandard 5G müssen erste erfolgreiche digitale Pilotverwaltungen in eine Modellregion „Digitale Verwaltung“ münden und zugleich eine Modellregion „Digitale Energiewende“ möglich machen.

Mit dem Ende des Kohleabbaus muss auch Schluss sein mit dem unverantwortlichen Flächenfraß und der ungenierten Ressourcenverschwendung – nicht zuletzt mit der Gefährdung unseres Grundwasserkörpers. Deswegen verlangen wir ein Konzept zum konsequenten Flächenschutz durch die Einrichtung eines Flächenpools mit Vorrang von Flächenrecycling – v.a. dort, wo Kraftwerke zurückgebaut werden – bei Neu-Erschließungen von Gewerbeflächen.

Die Endlichkeit natürlicher Ressourcen muss aus Sicht der Grünen im Rhein-Kreis Neuss zu einer konsequenten Etablierung der Kreislaufwirtschaft führen. Der Kraftwerks-Rückbau ist in den nächsten Jahren als großer Steinbruch eine wertvolle Ressourcenquelle, die es ermöglicht, im heutigen Revier ein regionales Baustoff-Recycling-Zentrum zu etablieren.

Zudem gilt es, die vorhandene Schieneninfrastruktur zugunsten eines leistungsfähigeren ÖPNV zu nutzen und Initiativen zugunsten eines nachhaltigen Güterverkehrs zu starten.

Die Zusammenarbeit mit den Hochschulen in der Region muss deutlich ausgebaut werden und der Kreis selbst zu einem Forschungs- und Wissenshotspot der Transformation werden. Zu den genannten Initiativen im Bereich Energie, Verkehr und Kreislaufwirtschaft könnten Institute im Rhein-Kreis Neuss angesiedelt werden.

Anders als in der jüngeren Vergangenheit muss es gelingen, mehr Geld in Form von Fördermitteln in die Region zu holen und im Wettbewerb mit anderen Regionen des Strukturwandels auch kreative Modelle beim Zusammenspiel von Verwaltung, Wirtschaft und regionalen Akteuren auszuloten. Dazu muss der Kreis auch adäquate Finanzmittel zur Verfügung stellen. Die besten Ideen entstehen meist vor Ort und müssen endlich auch Eingang in die Entscheidungsprozesse des Kreises und der weiteren politischen Ebenen finden.

Darum bekräftigen wir Grünen, dass es mehr Elemente direkter Mitgestaltung beim zukunftsfesten Umbau unseres Kreises braucht und sicher auch eine handlungsfähige Verwaltungsspitze, die der besonderen Situation als Bündelungsbehörde gerecht wird. Einerseits müssen so Betroffene und Kreative zu Beteiligten gemacht werden. Anderseits müssen Verwaltungsentscheidungen beschleunigt werden, ohne dabei Umwelt- und Sozialstandards abzubauen.

„Wenn wir nicht eingreifen, steht der Kollaps unserer Zivilisationen und die Auslöschung großer Teile der natürlichen Welt am Horizont.“

(David Attenborough)

Hinter diesem Horizont geht es eben, anders als im Lindenberg-Song, nicht mehr weiter.