Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Erhard Demmer in der Kreistagsitzung am 14. März 2016

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer!

Erinnern Sie sich an die Kreistagsitzung am 25. März 2014, als ich hier an dieser Stelle für meine Fraktion die Haushaltsrede gehalten habe? Sie endete mit den Sätzen: Unser Ziel ist GRÜN + X = Mehrheit der Sitze im Kreistag. Wir kämpfen dafür, dass dabei GRÜN so stark wie möglich wird und eine absolute Mehrheit der CDU verhindert wird. Und ich kämpfe dafür, dass wir GRÜNE die nächste Haushaltsrede an dritter Stelle halten können. Zwei von diesen drei Zielen haben wir erreicht, für das erste kämpfen wir weiterhin. Denn die vom Landrat organisierte Mehrheit in diesem Kreistag ist fragil. Ob sie bis 2020 halten wird?

Die Situation stellt sich für den voreingenommenen Beobachter doch so dar: Alles, was die CDU macht, wird vom Landrat gelenkt. Die Anträge, die Anfragen, zum Teil auch die Reden sind vor – geschrieben. Was der Landrat nicht will, soll im Kreistag und auch in den Ausschüssen nicht diskutiert werden dürfen, vgl. Strukturwandel, vgl. Umweltbelastungen durch die Braunkohle, vgl. Quecksilber. Dabei hat die CDU doch kluge Köpfe, vor allem weibliche, in ihren Reihen sitzen. Das haben wir bei unserem Antrag „Verhütungsmittelfonds für Bedürftige“ zur Vermeidung von Schwangerschaftskonflikten gemerkt. Im Fachausschuss noch zustimmend beraten, wurden die 30.000 Euro im Finanzausschuss von der Männer-Riege gekippt. Deshalb frage ich nicht nur die gesamte CDU-Fraktion, sondern vor allem auch die weiblichen Kreistagsabgeordneten: Wann emanzipieren Sie sich? Auch die FDP erscheint, von bisher wenigen Ausnahmen abgesehen, in der Außensicht als bloße Erfüllungsgehilfin der politischen Ziele des Landrats, als Appendix. (Dies vorausgeschickt, erlauben Sie mir in diesem Jahr, dass ich auf die Rede des nominellen CDU-Fraktionsvorsitzenden nur kurz, nur mit einem Goethe–Zitat eingehe: „Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.“) Genug der Vorrede.

Seit März 2014 ist einiges gleichgeblieben, weil sich die politischen Verhältnisse hier im Rhein-Kreis Neuss nicht substantiell geändert haben, in unserer Gesellschaft aber hat sich insgesamt vieles verändert. Ich spreche von den Menschen, die zu uns gekommenen sind, von denen, die im leicht abwertenden Unterton Flüchtlinge genannt werden. Diese Menschen sind kein Strom, Herr Landrat, kein Naturereignis, sondern in der Mehrzahl vor Krieg, Gewalt, Verfolgung und bitterer Armut Flüchtende. Die sogenannte Flüchtlingskrise, die Sie in Ihrer Rede angesprochen haben, ist auch keine Krise der Flüchtenden, sondern eine der deutschen und europäischen Politik. Einer Politik des langjährigen Wegguckens, des Ignorierens von dramatischen Entwicklungen – so, als wäre Lampedusa eine Figur aus 1001 Nacht. Hinzu kommt hier in Deutschland eine jahrzehntelange Politik, die eine geregelte und gesteuerte Zuwanderung verhindert hat, eine Politik, die untrennbar mit den Namen Koch und Stoiber verbunden ist, eine Politik, die schlichtweg unvorbereitet war. Eine solche Erkenntnis beschreibt jedoch nur die schwierigen Rahmenbedingungen, mit denen wir es auch hier im Rhein-Kreis Neuss zu tun haben. Und da ist es auch nicht sonderlich förderlich, diese zum Anlass zu nehmen, um mal wieder auf das Land zu schimpfen. Denn das Land NRW unterstützt die Kommunen, wo es nur kann. Die Berichte im letzten Kreisausschuss belegen dies. Bis heute warten wir auf eine entsprechende lobende Presseerklärung des Landrates. Aber das passt wohl nicht in seinen Wahlkampf-Modus! Sieht man einmal vom nörgelnden Kreissportbund ab, so verneigen wir uns vor den vielen ehrenamtlichen und freiwilligen, aber gerade auch vor den beruflich eingebundenen Helferinnen und Helfern in den verschiedensten Bereichen, die sich um die geflüchteten Menschen, manchmal bis zur Erschöpfung, kümmern. Hier geht es auch nicht mehr nur um Erstversorgung, sondern auch schon um Integration. So wie das Land NRW einen Integrationsplan vorlegt, so wird dies auch der Rhein-Kreis Neuss tun. Dies begrüßen wir ausdrücklich und kündigen unsere aktive Unterstützung an. Um möglichst schnell möglichst viele sinnvolle (weitere) Integrationsmaßnahmen auf den Weg zu bringen, wäre es gut, wenn die Pläne aufeinander abgestimmt und natürlich auch die Kommunen einbezogen würden. Nur wenn wir zügig diese Angebote in den verschiedensten Bereichen auf den Weg bringen bzw. unterstützen, helfen wir den Geflüchteten bei der Integration und vermindern die Ängste in Teilen der Bevölkerung, die die AfD, die „Alternative für Demokratie“, so schamlos ausnutzt. Integrationsarbeit ist immer auch aktive Arbeit an der Weiterentwicklung demokratischer Strukturen. Oder wie Herfried Münkler es gesagt hat: „Die Menschen müssen vom Betrachter des Problems zum Bearbeiter werden. Man kann Angst wegarbeiten.“  In der Tat wird die Zivilgesellschaft eine anspruchsvolle Integrations- und die Politik eine effektive Steuerungsleistung auf zunächst noch nicht absehbare Zeit vollbringen müssen.

Allein wegen dieser Unwägbarkeit ist es schon vermessen, einen Doppelhaushalt beschließen zu wollen. Weitere stichhaltige Argumente sind in der Erklärung der Bürgermeister vom 11. Dezember 2015 nachzulesen. Der Doppelhaushalt trägt jedenfalls nicht zur Planungssicherheit für die sogenannte Kreisgemeinschaft bei. Unsolidarisch ist auch die Erhöhung des Kreisumlagesatzes. Schon bei gleichbleibendem Hebesatz hat der Rhein-Kreis Neuss einen Mitnahmeeffekt von 1,9 Millionen Euro. Logisch wäre ein höherer Satz bei sinkenden Umlagegrundlagen, seit 2014 verläuft dies jedoch parallel: Der Kreis nimmt also üppig ein. Landrat Petrauschke begründet dies mit steigenden Sozialausgaben. Betracht man jedoch z.B. die Entwicklung der SGB-II-Umlage, so sind die von den Kommunen zu erbringenden Umlageaufwendungen in etwa gleichgeblieben, die Einnahmen aus der Kreisumlage jedoch stetig gestiegen. Auch hat der Kreis es versäumt, die der Allgemeinen Rücklage zugeführten Überschüsse in die Ausgleichsrücklage umzuschichten. Dort stünden dann in diesem Jahr ca. 35 Millionen Euro (statt 22 Millionen Euro) zu Buche. Das alles zeigt: Rücksichtnahme auf die Städte und Gemeinden des Kreises sieht anders aus! Dies gilt auch für die im Kern sinnvolle Entschuldung des Rhein-Kreises Neuss. Wenn aber die Kommunen sich über Kassenkredite finanzieren müssen, dann hätte man doch wenigstens ein Moratorium beschließen können, zumal die hochverzinsten Darlehen des Kreises nach und nach abgelöst bzw. umgewandelt werden und so einen Entlastungseffekt bringen. Blickt man zudem auf die gesicherten Haushaltsergebnisse für 2014 und die vorläufigen für 2015, so kann man feststellen, dass viel Luft in diesen Kreishaushalten steckt. Erstaunlich, wie üppig so manche Haushaltsansätze kalkuliert worden sind und was alles nicht abgeflossen ist! Die beiden Doppel-Haushalte des Rhein-Kreises Neuss sind also nicht Haushalte mit und für die Städte und Gemeinden, sondern gegen diese. Und das, meine Damen und Herren, müssen wir ändern!

Um von diesen schlichten Tatsachen abzulenken, greifen der Landrat und die CDU-Fraktionsspitze „das Land“, gemeint ist die Landesregierung, an jeder möglichen Stelle an. Motto: Haltet den Dieb! Meine Herren, wenn Sie den Kreishaushalt genau läsen, dann würde Ihnen wohl auffallen, an wie vielen Stellen Landesmittel vereinnahmt werden, so viele, dass die Kämmerei es nicht schafft, der Kreistagsfraktion von Bündnis 90 / DIE GRÜNEN eine verlässliche Auskunft darüber zu geben! Und: Wenn Sie ständig die Landesregierung angreifen: Wer hat denn den Luxussportplatz in Knechtsteden finanziert und wer soll denn einen größeren Zuschuss für eine neue Halle für die modernen Musketiere beibringen? Mantramäßig beklagen Sie auch unter der Überschrift „Das Land ist schuld“ die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen. Mantramäßig kann ich Ihnen für meine Fraktion darauf antworten: Wir diskutieren die chronische Unterfinanzierung von Kommunen in Deutschland (Stichwort: Kommunen in Not) seit mehr als 20 Jahren. Während die Regierung Rüttgers die Kommunen seinerzeit geplündert hat, steigert die jetzige Landesregierung die Zuweisung an die Kommunen kontinuierlich. Auch der Kommunal-Soli wirkt. Schon beschweren sich nämlich die Empfänger-Kommunen über die strikten Sparauflagen, die mit dem Erhalt des Solis verbunden sind. Darüber haben Sie hier bisher kein Wort verloren. Jedenfalls kann ich Ihnen sagen: Überall, wo GRÜNE in der Regierungsverantwortung sind, wird den Kommunen geholfen. Das ist die ganze Wahrheit. Und der Bund? Soll der keine finanzielle Verantwortung tragen? Sind die SGB-Leistungen Landesleistungen? Sind sie auskömmlich? Ist Armutsbekämpfung nur Landessache? Warum springt das Land bei den BuT-Sozialarbeitern ein, obwohl das Bundessache ist? Sind die Ziele „Bessere interkulturelle Bildung“ und „Mehr Bildungsgerechtigkeit in der Einwanderungsgesellschaft“ nur Ländersache oder behindert uns da nicht das von Stoiber initiierte Kooperationsverbot? Wir sollten uns in diesen wichtigen Fragen ehrlich machen und sie nicht zu Wahlkampfzwecken missbrauchen. Gut nachvollziehbar ist die Forderung der Bürgermeisterkonferenz, der Kreis solle „die eigenen Ansätze auf weitergehende Einspar- und Verbesserungspotenziale hin konsequent (…) überprüfen.“

Aber in den Haushaltsberatungen des Finanzausschusses war zum wiederholten Male Aufgabenkritik nicht erwünscht. Die CDU-Fraktion beließ es bei der Zustimmung zu der vom Landrat vorgelegten Veränderungsliste und bei der Ablehnung der Wunschliste. Also, meine Damen und Herren: Strukturelles und gestalterisches Nichtstun in einem! Stillstand als Essenz des konservativen Politikansatzes! Politiker-Mikado à la CDU: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Dem haben wir Grüne einiges entgegen gesetzt.

Wir haben wenigstens einige Bereiche exemplarisch angesprochen, so die Öffentlichkeitsarbeit und die Wirtschaftsförderung verbunden mit dem Personalhaushalt. Dort fragen wir uns, wodurch eine weitere Ausweitung der Planstellen im Bereich Öffentlichkeit, die ohnehin einen enormen täglichen Output an Pressemitteilungen hat, gerechtfertigt ist? Braucht der Landrat, der mittlerweile zu allem und jenem Stellung nimmt, noch mehr Personal? Kostprobe gefällig? „Landrat Petrauschke gratuliert Handballer Simon Ernst zum Europameister-Titel“ Hintergrund: Der Ex-Dormagener Simon Ernst gehörte zum Kader von Trainer Dagur Sigurdsson. Das hilft dem Rhein-Kreis Neuss enorm weiter! Im Bereich der Wirtschaftsförderung fragen wir uns wie schon vor zwei Jahren, ob dieser aufgeblasene Riese noch in dieser Form nötig ist. Die Kommunen verfügen alle über eine eigene Wirtschaftsförderung. Der konkrete Nutzen der Messeaktivitäten ist bis heute nicht erbracht worden. Wer profitiert denn von der Expo Real? Die Akteure, allen voran der Landrat, selbst? Die meisten Aktivitäten, auch die Auslandsreisen, werden ohnehin maßgeblich von NRW-Landesgesellschaften und der IHK geplant und finanziert. Die, das wurde durch den Wechsel von Herrn Steinmetz überdeutlich, bestimmt ohnehin die Wirtschaftspolitik des Rhein-Kreises Neuss. Es ist jedoch überflüssig, eine Wirtschaftsförderung als verlängerten Arm der IHK zu finanzieren, da können Teile des gut qualifizierten Personals sicherlich andere Aufgaben in der Kreisverwaltung übernehmen. Aber verwechseln Sie nicht unsere Forderung nach dem Abbau der Wirtschaftsförderung mit der Forderung nach der Einrichtung eines eigenständigen Ausschusses für Wirtschaft, Arbeitsmarkt  und Strukturwandel. Hier ist Bedarf.

Seit Jahren wird darüber räsoniert, dass es, so der Landrat, eine „nahezu konstante Zahl von rund 15.000 Hartz IV-Bedarfsgemeinschaften“, es sind aktuell über 15.000 (!), gibt. Seit Jahren wird angekündigt, alle Chancen zu nutzen. Seit Jahren wird aber nichts bzw. zu wenig dafür getan, aktive Beschäftigungsförderung zu betreiben. Seit Jahren findet sich im Kreishaushalt dafür keine Zielsetzung. In diesem Jahr haben wir GRÜNE im Finanzausschuss vorgeschlagen, ganz im Sinne des modernen NKF, uns zum Ziel zu setzen, die Zahl der Bedarfsgemeinschaften durch weitere politische Maßnahmen einer aktiven Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zu reduzieren. Und was fiel dem CDU-Fraktionsvorsitzenden zu diesem Antrag ein? „Show-Antrag“ war sein despektierlicher Kommentar. Das zeigt seine tatsächliche Hilflosigkeit! Denn es ist in der Tat unter den gegebenen Rahmenbedingungen schwierig, eine aktive Arbeitsmarktpolitik für den Rhein-Kreis Neuss zu betreiben. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat nämlich 2012 die Mittel für die Beschäftigungsförderung, für eine aktive Arbeitsmarktpolitik (Unterstützung und Qualifizierung Arbeitsloser) erheblich reduziert. Zudem kommt es durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt (sogenannte Instrumentenreform) seit dem 1. April 2012 zu einem weiteren gravierenden Abbau von Fördermöglichkeiten für arbeitslose Menschen – von 2012 bis 2015 sollen 7,8 Milliarden Euro bundesweit eingespart worden sein. Bisher hat Frau Ministerin Nahles es nicht geschafft, dies zu revidieren, und die „Schwarze Null“ verhindert es! Was aber hindert uns daran, im Rhein-Kreis Neuss zusammen mit den Kommunen, der Arbeitsagentur, den Wohlfahrtsverbänden, den Gewerkschaften, den Unternehmensverbänden und wissenschaftlicher Hilfe in einer Fachtagung darüber zu beraten, wie diese Menschen trotz der gegebenen restriktiven Bedingungen wieder in Arbeit zu bringen sind? Andere Städte und Kreise sind da schon weiter!

Gleiches gilt für die Frage, wie verhindert werden kann, dass die zu uns Geflüchteten (mit Bleibeperspektive) zu lange in Hartz IV verweilen? Es gibt da ja auch schon auf Unternehmensseite erfreuliche Initiativen, aber Sprachkurse, Beratung und familien- sowie sozialpädagogische Betreuung können die Unternehmen nicht alleine leisten. Natürlich brauchen wir auch Wohnraum, und zwar nicht nur wegen der Zugewanderten, sondern wegen des prognostizierten allgemeinen Bevölkerungszuwachses, der Änderungen in den demografischen Strukturen der Gesellschaft und der gesellschaftlichen Wohnraumstandards. Weil sich aber der Staat, insbesondere der Bund, aus dem sozialen Wohnungsbau verabschiedet hat und preiswerter Wohnraum privatisiert und umgewandelt worden ist, haben wir bei gleichzeitigem verstärktem Auseinanderdriften der Einkommen gerade auch in unserer Region im Bereich des preisgünstigen Wohnraums einen erheblichen Nachholbedarf. Deshalb ist es richtig, alle wichtigen wohnungsbau-politischen Akteure an einen Tisch zu holen und über Möglichkeiten zu beraten, kurzfristig preisgünstigen Wohnraum zu schaffen. Es geht dabei nicht nur darum, die Kosten der Unterkunft zu drücken, sondern generell Wohnraum für alle Schichten der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Denn auch die, deren Einkommen unterhalb der mittleren Einkommen im wirtschaftsstarken Rhein-Kreis Neuss liegen, gehören zu uns und haben ein Recht auf eine angemessene Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Und dazu gehört auch eine angemessene Bleibe, sprich: Wohnung. In einem weiteren Schritt ist dies dann auch in der Region abzustimmen. Was wir aber nicht brauchen, ist eine neuer Wasserkopf, eine neue Wohnungsbaugesellschaft. Das müsste der Landrat als „König ohne Land“ eigentlich wissen. Es ist deshalb gut, dass der Finanzausschuss auf Antrag der GRÜNEN das im Haushaltsentwurf etatisierte Stammkapital für eine Wohnungsbaugesellschaft gestrichen hat.

Zur Aufgabenkritik gehört nämlich auch, dass der Kreis seine Tätigkeitsfelder nicht ständig zu erweitern trachtet. Das erleben wir ja im letzten Jahrzehnt immer wieder. Die zum Teil unmoralischen Angebote an die Kommunen nach dem Schema: Wir übernehmen eure Aufgabe und deren Finanzierung, ihr werdet dafür weitgehend entlastet, aber –psst- wir holen uns das über die Kreisumlage zurück. Subsidiarität ist anders! Mich wundert, dass noch keiner der Bürgermeister, die über diesen Weg in die Mitfinanzierung genommen werden, gefordert hat, das Instrument der differenzierten Kreisumlage wie im Jugendhilfebereich auch auf solche Bereiche auszudehnen.

Eine Mammutaufgabe steht auch bei der von uns GRÜNEN seit fast zwei Jahrzehnten angesprochenen Notwendigkeit der politischen Steuerung des Strukturwandels an. Die bisherigen Vorschläge, die der Rhein-Kreis Neuss in die Innovationsregion Rheinisches Revier (IRR) eingebracht hat, sind eher ideen- und phantasielos. Auf zukunftsorientierte Vorschläge zur Gestaltung des Strukturwandels wird jedoch ein Schwerpunkt zu legen sein. Sie werden von uns hören! Wie oft haben wir GRÜNE in den vergangenen Jahren hier an dieser Stelle den Komplex Klimapolitik-Braunkohle-RWE angesprochen. Wie oft haben wir vor dem Niedergang des Konzerns, durch die Sackgassen-Industriepolitik eines Herrn Großmann verursacht und nicht rechtzeitig von Herrn Terium umgesteuert, gewarnt! Wie oft haben wir angeprangert, dass auch die kommunalen Aktionäre, zu deren Vertretern auch der Landrat gehört, dies alles so mittragen! Wie oft haben wir auf den tatsächlichen Arbeitsplatzabbau, ohne dass Ersatzarbeitsplätze im Rhein-Kreis Neuss, gerade auch im Energie-Segment, entstanden sind, hingewiesen!

Und schließlich: Wie oft haben wir zwischen 2006 und 2010 verlangt, die RWE-Aktien zu verkaufen, z.B. im Dezember 2006 bei einem Kurs von 88,05 Euro, um damit den Lindenhof zu stärken und den Rhein-Kreis Neuss zu entschulden. Sie von der CDU, und hier stehen Sie ganz alleine mit dem Landrat da, haben unsere Warnungen immer ignoriert. Sogar eine Dividende wird nicht mehr gezahlt. Nun stehen wir gemeinsam vor einem Scherbenhaufen. Doch weder industriepolitisch noch klimapolitisch gibt es von Ihnen Initiativen. Auch hier nur Obstruktion: Sie und der Landrat verhindern jede noch so kleine klimapolitische Initiative. Und eines ist dabei klar geworden: Eher friert die Hölle zu, als dass der Landrat sich an die Spitze der Klimaschutzbewegung stellt. Sprache ist verräterisch. In seiner Rede zur Einbringung des Haushalts attackiert Herr Petrauschke den politischen Diskussionsbeitrag der Bundesumweltministerin als „neuerlichen Störangriff“ und deklamiert, dass „das Unternehmen“ – gemeint ist RWE – „Ruhe“ brauche. Diese Wortwahl sagt einiges über die politisch-ideologische Grundstruktur ihres Verfassers aus, aber auch über seine Rolle in der politischen Debatte. Zum wiederholten Male begreift er sich als Lobbyist des Konzerns, was uns GRÜNE nicht wundert. Denn wie heißt es doch so schön in einem deutschen Sprichwort „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing‘!“ Und mit pekuniärem Brot wird der Landrat des Rhein-Kreises Neuss von RWE reichlich ausgestattet. Über 130.000 Euro hat er als Aufsichtsratsmitglied der RWE Power AG bereits erhalten und in die eigene Tasche gesteckt. Dabei ist er dort nur Mitglied, weil er zum Landrat gewählt wurde. Das kann man überall nachlesen und auch die Medien kommunizieren es so. Juristisch ist es spätestens seit dem sogenannten Napp-Urteil klar. Herr Petrauschke, es ist nicht Ihr Geld, das Sie über die Aufsichtsratstätigkeit vereinnahmen, es ist das Geld, das ein gut dotierter Landrat vereinnahmt. Es ist das Geld, das dem Kreishaushalt und damit den Bürgerinnen und Bürgern des Rhein-Kreises Neuss zusteht. Es geht hier auch nicht nur um juristische Fragen, sondern auch um Ihr moralisch-ethisches Verhalten! Folgen Sie dem Beispiel des ehemaligen Landrates des Rhein-Sieg Kreises Frithjof Kühn. Der hat seine Aufsichtsratstantiemen zunächst auf ein Sonderkonto eingezahlt und dann nach dem Napp-Urteil zusammen mit einem Verwendungswunsch, nämlich die Mittel der Flüchtlingshilfe zukommen zu lassen, freigegeben. Der Kreistag des Rhein-Sieg-Kreises ist dem gerne gefolgt. Namens meiner Fraktion fordere ich Sie hiermit auf, dementsprechend zu verfahren und die zurückgehaltenen Tantieme an die Kreiskasse zu überweisen.

Meine Damen und Herren! Wir GRÜNE, so dürfte klar geworden sein, wollen die Kreispolitik verantwortlich mitgestalten und sie von ihren verkrusteten Strukturen befreien. Wir wollen eine jahrzehntelange Politik des „Weiter so“, die nur noch ihre eigenen Klientelgruppen bedient, die in weiten Teilen rückwärtsgewandt ist, beenden und durch eine zukunftsorientierte Politik in und für den Rhein-Kreis Neuss ersetzen. Wir GRÜNE wollen eine gerechte Balance zwischen den Interessen des Kreises und denen seiner Städte und Gemeinden im offenen und nachvollziehbaren Dialog erreichen. Dazu müssen wir raus aus der Hinterzimmer-Politik und r(h)ein in die Öffentlichkeit! Der vom Landrat gern gebrauchte Begriff „Kreisgemeinschaft“ wird leider, das aber zu Recht, von den Kommunen als Drohung aufgefasst. Das müssen wir ändern: Wir müssen „Kreisgemeinschaft“ wieder mit neuen Inhalten füllen, damit das Wort seinen Schrecken verliert und wieder mit „Solidarität“ verbunden wird. Wir GRÜNE werden da nicht locker lassen. Wir haben schon die Erfahrung gemacht, dass politisch-gesellschaftliche Prozesse des Öfteren so ablaufen, wie Mahatma Gandhi dies einmal vorzüglich beschrieben hat und wir haben deshalb die Hoffnung, dass dies auch im Rhein-Kreis Neuss möglich ist: „Zuerst“, sagte Gandhi, „ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“ An letzterem arbeiten wir. (Baden-Württemberg ist ein schönes Land geworden…)